Josef Reinhard

Persönlicher Textentwurf als Steinbruch

Das Schicksal von Josef Reinhard und seiner Familie

 

Josef Reinhard wurde am 27. August 1913 in Saarlautern (Saarlouis, nach anderen Quellen in Saarbrücken) geboren.(Jauch) Vater Adolf und Mutter Kreszentia waren in den 20er- und frühen 30er-Jahren hauptsächlich in der Gegend zwischen Stuttgart, dem Bodensee, dem Neckar und Bayern unterwegs. Adolf Reinhardt lebte vom Pferdhandel wie auch vom Verkauf oder Tausch von Musikinstrumenten wie Geigen, die er teils auch selber baute, schließlich damals auch vom Hausieren, was aber neben Betteln, Handlesen undHeilen vor allem die Frauen machten.(Lolo: 20 und 22). 

1936 hatte Adolf Reinhardt in Renningen ein "Häusle" mit einem Stellplatz gekauft. Den Sommer über war die Familie in jener Zeit am Ihringer Hof und halfen dort bei der Landwirtschaft, während Bruder Xaver (Jahrgang 1915) im Steinbruch arbeitete. Doch dann kamen die älteren Brüder von Josef Reinhard, Adolf und Johann ins KZ und seine in Renningen verbliebene 18jährige Schwester Olga wurde dazu gezwungen, drei Kreuze auf ein Dokument zu schreiben, mit dem das Haus für dreihundert Mark verkauft war. Als die restliche Familie im Herbst vom Ihringer Hof zurück gekommen war, war das Haus abgerissen gewesen.(Lolo: 37f.). Als die Familie von einem Polizisten hörte, dass sie "wegkommen" solle, flüchtete sie zu Fuß nach Magstadt zu einem Onkel von Josef Reinhard, bei dem Adolf Reinhard seine Instrumente ließ. Mit nur seiner Lieblingsgeige im Gepäck, die er im Alter von 16 Jahren bekommen hatte, flüchtete der Vater mit seiner Familie zunächst in ein Waldstück auf der Alb zwischen Winterlingen und Straßberg.

 

Schließlich wurden sie am so genannten "Stichtag" in der "Hofküche" bei Herrmannsdorf (zu Burladingen) angesiedelt, wo sie sich an einem Waldeck namens "Gabelhau" in drei Wägen wohnten. 1941 wurde die Familie amtlicherseits von der Hofküche für zwei Winter in das "Edelwäldle" verwiesen, das noch weiter von Burladingen entfernt war. Dort hat sich die Familie kleine Hütten gebaut. Um 1943 musste die Familie wieder in die Nähe der Hofküche. Auch dort baute die Familie kleine Hütten am Waldrand.

In einer dieser Hütten wohnte Josef Reinhard. Zu dieser Zeit arbeitete er im Sägewerk. Für seine Hütte verwendete er Schwartenbretter aus dem Sägewerk und Fichtenzweige. Die Zwischenräume füllte er mit trockenem Laub. Ganz in der Nähe wohnte Familie Zulie in einem Wagen, die Mutter seiner Lebensgefährtin Elise, und noch weitere Familien.(Lolo: 66).

Sein jüngster Bruder Friedrich, geboren am 22.12.1932 in Tiefenbach, gestorben im Oktober 1995 in Albstadt-Ebingen, erinnerte sich: "Der Josef, des war a ruhiger Mensch. Musik, des war für ihn sein Höchstes." (Lolo: 17) "Da hat mei Vatter bloß einmal was sage brauche, na hat er's g'macht." (Lolo: 87)

Elise Zulie "hat a kleins Mädle g'het ... und war in andere Umständ fürs zweite Kind" (so Maria Winter: 69)

 

Wie Elisabeth Reinhard(t), geboren am 2.10.1879/kann nicht stimmen!Z-5565? oder Elisabeth Flora Z-4776?1924-06-03 (Lantzkirchen)?, Data Auschwitz

 

Wie die Händlerin Elisabeth Regina Zulie (Jahrgang 1920), (Jauch)

die Frau von Xaver Reinhard(t) (Jahrgang 1920), die für die Behörden als "ledig" galt, und ebenfalls ein kleines Mädchen hatte, Agnes Zulie (Jahrgang 1942), (Jauch) war die Frau ("sei Mädle") von Josef Reinhard trotz Verbots Hausieren gegangen, was die Polizei herausgefunden hatte. Als die Polizei wohl unter dem Kommando des Gendarmerie-Kreisführers Josef Beuck, den Lolo als "Truppeoberleiter" bezeichnete, die Razzia machte, "und um sechs Uhr in der Früh" Elise und Elisabeth Zulie mit ihren Kindern und zusammen mit den anderen Kindern und Frauen wie auch deren Cousine mit vier Kindern aus den Wägen und Hüttchen geholt hatte, floh Josef Reinhard mit seiner kleinen Tochter Olga Zulie, geboren am 17. Mai 1940 in Ebingen, Auschwitz-Haftnummer Z-4694 (- wo war Hildegard (geboren am 16. Januar 1943 im Krankenhaus Hechingen) (Jauch) -) in den Wald. (Lolo: 67f.) Maria Winter hierzu (Maria: 69f.): "Und mei Mutter hat zu mir g'sagt: 'Der Josef hat sei Mädle g'nomme und isch mit ihm ab in de Wald.' i weiß no wie heut: A schöns blonds Kind, grad zwei Jahr alt. Und mei Mutter (Kreszentia!) hat ihne immer ebbes zum Esse hinter bracht.

Na isch die Polizei komme, drei, viermal am Tag: 'Herr Reinhardt (sic! Adolf Reinhard!), saget Sie, der Josef soll komme. Der muß die Kleine abgebe. des hat kein Wert.'"

Und mei Vatter hat immer g'sagt: 'I weiß net, wo er isch.'

Na hen sie so lang aufpaßt, bis sie mein Bruder verwischt hen. Des Kind hat mei Mutter grad no versteckle könne, und hat zu uns g'sagt in unserer Sprach, mir sollet's ja net rausgebe. Mein Bruder hen se mitg'nomme nach Burladinge ins G'fängnis und hen ihm zug'setzt: Des Kind muss her, des Kind muss her. Und er hat sie halt ag'loge und hat g'sagt, Verwandte hättet's mitg'nomme. Na sin sie mit ihm da hin und hen des Kind natülrich net g'funde.

Mir hen die Kleine g'het, vier, fünf Tag. Na sin sie wieder komme mit dem Josef. Und der Josef sagt: 'Es hat kein Wert. Gebet sie raus.'.

Na hen se mein Bruder (Josef!) wegg'führt, mit seim Kind auf em Arm."

 

Im März 1943 wurde seine Frau, die für die damaligen Behörden als "ledig" (Jauch) galt, Elise Zulie mit "seim Mädle" (so Lolo R.: 67) und Josef Reinhard über Stuttgart nach Auschwitz-Birkenau "deportiert".

Zuvor wollte seine Mutter seine Familie oder wenigstens ihn retten. Kreszentia Reinhard (Jahrgang 1888) fuhr zu ihrem Buder Konrad, der "der Älteschte von de Sinti" gewesen war. "Und der war beim Scheifele in Stuttgart, bei de Kriminaler"(Adolf Scheufele!) "Das der hat dürfe normal sterbe! Langsam hätt mr den solle hinmache!

Des ganze Dritte Reich über isch der umananderg'fahre, wo Sinti sich aufg'halte hen...

Und zu dem Bruder isch mei Mutter g'fahre, wie se den Josef wegg'holt hen, bis nach Stuttgart zum Scheifele. Mei Schweschter Berta (Berta Groß geborene Reinhard. Jahrgang 1923) hat sie herg'richtet mit ema Koschtüm und ema Hut mit Schleier, da´sie net auffällt. Mr hat ja net dürfe reise ohne Passierschein. Und so isch es nach Stuttgart g'fahre und isch direkt zum Scheifele in sei Büro nei.

Und der Scheifele sagt zu ihr: 'Ja, Frau Reinhardt, da müsset Sie zu Ihrem Bruder Konrad gehe, der hat des alles unter sich.'

Na isch sie nakomme, wo der war, und da waret die ganze Waggon g'stande, scho voll mit lauter Sinti. Von Magstadt, von Burladinge, von der ganzen Strecke hen sie sie eing'fange. Weil mei - ja, i kann nimmer sage: mei Onkel, aber i muß es sage - weil der dene verrate hat, wo die ganze Sinti sich aufhaltet. Der ha's g'wußt. Isch ja überall rumg'fahre. Von dem hen sie alles g'het, die Näme, Geburtsdatum, wo sie schaffet, wieviel Persone. Da isch bloß no der Stichtag komme, wo sie's zammeg'rafft hen. So einfach war des gewesen.

Da waret die Waggon g'stande zum Transport nach Auschwitz. Und die Sinti hent rausg'schriee auf unserer Sprach und hen Ausdrück zu ihm g'sagt udn alles.

Na isch mei Mutter hinkniet vor ihre eigene Bruder: 'Massengro (Konrad Hoffmann!), hol bitte mein Bua raus!'

'Ha, des goht nimmer. Der isch scho auf der Lischte, des goht nimmer."

Und aus dem Waggon hen sie rausg'schiree: 'Abwarten, bis mir wieder rauskommet! Stückle für Stückle machet mir dich hi!"

Und nix isch dem passiert..." (Maria: 71-73)

 

In Auschwitz-Birkenau wurde Josef Reinhard am 18. März 1943 die Häftlingsnummer Z-4193 zugewiesen und in den Arm tätowiert, zuvor hatte die am 20. Juli 1943 dort ermordete Sintiza Franziska Ruzicka (geboren in Wellemin in Böhmen am 3. Juni 1916) diese Nummer zugewiesen gehabt. 

 

Lalleri 

Ružička

 

Bei einer der Selektionen wurde Josef Reinhard von den SS-Ärzten für Menschenversuche ausgewählt. Gemeinsam mit anderen Männern kam er vom 8. bis 14. Dezember 1943 auf "Transport" zum KZ Natzweiler im Elsass (doch in Auschwwitz ist ein Datum 30.10.1943 vermerkt!). Im KZ Natzweiler erhielt er eine neue Häftlingsnummer: 6564. Vom 19. Juni bis zum 3. Juli 1944 ist Josef Reinhard im Nebenlager bzw. der Außenstelle Cochem (KZ Bruttig-Treis) des KZ Natzweiler verzeichnet. Er wurde dort und/oder im KZ Natzweiler mit Fleckfieber infiziert und musste an grausamen Giftgasversuchen teilnehmen. Von einem der Versuche hatte er, wie sein Bruder Friedrich von einem Mithäftling gehört hatte, "offene Füß" gehabt (Lolo: 16). Zum Abschluss einer „Versuchsreihe“ mit Giftgas entwickelte sich aufgrund der Versuche ein Lungenödem und vier der "Versuchspersonen" starben dadurch qualvoll. Der Tod von Josef Reinhard ist für den  9. August 1944 dokumentiert. Den Hinterbliebenen wurde mit einer verschleiernden Todesangabe eine Urne zugesandt.

 

Auch seine Frau Elise Zulie, geboren am 28. August 1922 in Gruol, und ihre gemeinsamen Kinder, Agnes, geboren am 8. März 1942 in Hechingen, Auschwitz-Nummer Z-4693, - Nein! ist Tochter von Xaver Reinhard und Elisabeth Zulie! _ und Hildegard, geboren am 16. Januar 1943 ebenfalls in Hechingen, Z-4695 (in Frage kommt auch Olga Zulie, geboren am 17. Mai 1940 in Ebingen, Auschwitz-Haftnummer Z-4694), waren wohl im März 1943 in Burladingen "verhaftet", nach Auschwitz-Birkenau "deportiert" worden und vermutlich am 31. März 1943 dort registriert worden. Elise Zulie erhielt dort die Nummer Z-4692, die zweijährige ? Tochter Agnes die Nummer Z-4693.

 

- Zu klären: Agnes. Jahrgang 1942 wurde von Xaver Reinhardt als Kind anerkannt

Olga? war aber Jahrgang 1940 und wohl Tochter von Elise Zulie...

Vaterschaft war in Auschwitz vor dem 26.10.43 der Registratur nicht klar...-

 

Agnes Zulie

b.1942-03-08 (Hechingen), camp serial number:Z-4693, category:Z.D.R., remarks:Gestorben1943-03-31

Burladingen (Hohenzollern)
b.1942-03-08 (Hechingen (Hohenzollern)), denomination:katholisch, remarks:zgin.1943-03-31 w Auschwitz

b.1942-03-08, camp serial number:Z-4693, remarks:W archiwum i zintegrowanych danych cyfrowych znajduje się więcej niż jeden dokument dla tej osoby/In the Archives and integrated digital collection are more than one document for this person

(http://en.auschwitz.org/m/index.php?option=com_wrapper&Itemid=31)

 

Elise Zulie: 

b.1922-08-28 (Gruol), camp serial number:Z-4692, profession:Arbeiterin, category:Z.D.R.

 

Olga Zulie:

 

b.1940-05-17 (Ebingen), camp serial number:Z-4694, category:Z.D.R.

 

Hildegard Zulie:

b.1943-01-16 (Hechingen), camp serial number:Z-4695, category:Z.D.R., remarks:Gest.0000-00-00?

 (

http://en.auschwitz.org/m/index.php?option=com_wrapper&Itemid=31)

 

 

 

"Von meim Bruder Josef hen mir blß an Kolbe Asche kriegt, der isch in Burladinge im Familiengrab. Mr hat se vonanander getrennt. Sein Frau und's Kind sind glei vergast wore, und den Josef hen sie als Versuchskaninche g'nomme in Natzweiler. Da isch er dann umkomme. Aber die Asche... Des weiß mr gar net, ob die vom Josef isch. Des waret ja Millione Mensche, wo sie umbracht hen." (Maria: 73)

 

Einarbeiten:  "234 Menschen und ihr grausamer Tod waren jahrzehntelang vergessen. Niemand wusste mehr, dass am Abend des 15. März 1943 am Stuttgarter Nordbahnhof ein Güterzug mit Sinti- und Romafamilien aus ganz Württemberg aufgebrochen war nach Osten. Mehrere Frauen waren schwanger, das jüngste Kind war zwei Monate alt. Nach 53 Stunden erreichte der Zug Auschwitz, wo die Menschen in das sogenannte "Zigeunerlager" eingewiesen wurden." Gedenkfeier für Sinti und Roma„Wir hörten das Kreischen der Kinder“Thomas Faltin, 14.03.2013, Stuttgarter Zeitung http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.gedenkfeier-fuer-sinti-und-roma-wir-hoerten-das-kreischen-der-kinder.ebbfcc3b-1706-44f3-bf7a-c926d03fe2d9.html

  • Monika Döppert (Hrsg.), Lolo Reinhardt: Überwintern. Jugenderinnerungen eines schwäbischen Zigeuners. Ergänzt von seiner Schwester Märza Winter. Mit einer Erzählung von Richard Scherer. Gerlingen (Bleicher Verlag) 1999
  • Anita Awousi, Andreas Pflock: Sinti und Roma im KZ Natzweiler-Struhof. Anregungen für einen Gedenkstättenbesuch. Heidelberg (Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma) 2006
  • Schreiben von Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (Staatsministerium Baden-Württemberg) vom 15. Juli 2013 an Manuel Werner, betr. Erhalt von Gräbern NS-verfolgter Sinti und Roma