Politisch Verfolgte

von Barbara Dürr, Nürtingen, und Jakob Fuchs, Tübingen

Erinnerung an die Nürtinger "Euthanasie"-Opfer, gestaltet von Schülerinnen des Max-Planck-Gymnasiums Nürtingen, Foto: Manuel Werner
Erinnerung an das Schicksal politisch verfolgter Nürtinger, gestaltet von Schülerinnen des Max-Planck-Gymnasiums Nürtingen, Foto: Manuel Werner
"Roter Winkel", erstellt von Fibonacci, Lizenz:  Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported
"Roter Winkel", erstellt von Fibonacci, Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

"Ich sag nix, was tät i au en Dachau?", war ein oft gehörter Ausspruch bei Nürtingern im Dritten Reich.(1) Die schnelle Einlieferung Nürtinger NS-Gegner Anfang April und am 1. Mai 1933 wie auch die weitere Ahndung konträrer Ansichten hatte offensichtlich Wirkung gezeigt.

 

Die schnelle Gefangennahme und Einlieferung Nürtinger NS-Gegner, in erster Linie Kommunisten, zwischen  Anfang März 1933 ( u.a. Karl Gerber, Werner Gross, Gustav Diem und Hermann Berg) und der nächsten Verhaftungswelle Anfang April 1933 war der Auftakt und Beginn der Leidenszeit der Menschen, die sich dem NS- Regime nicht beugen wollten und  ihrer politischen Überzeugung treu blieben. 

Alle diese Männer und Frauen mussten Gefängnisstrafen, Aufenthalte in Zuchthäusern und in vielen Fällen willkürlich angeordnete „Schutzhaft“-Aufenthalte in verschiedenen KZ durchleiden, die für mehrere der Männer erst mit dem Ende des NS Regimes, dem Ende des 2. Weltkrieges endeten und sie zu gesundheitlich und seelisch schwerst beschädigten Opfern machten.

Auch die Angehörigen und Freunde der politisch Verfolgten hatten unter schweren Repressalien und Androhungen zu leiden. Selbst nach dem Ende des Krieges und der Diktatur fanden sich diese Menschen und ihre Familien als Außenseiter einer Gesellschaft wieder, die noch lange nicht bereit und in der Lage war anzuerkennen, was  den politischen Gegnern des Regimes angetan worden war.

Die meisten der politisch Verfolgten Nürtinger oder in den Nachbarorten lebenden Verfolgten sind in Vergessenheit geraten. 

Über einen der Betroffenen, Werner Groß aus Oberensingen, entstand im Rahmen einer Dissertation eine umfassende und beispielhafte Biographie von Joachim Schlör.

Der Künstler und den politischen Widerstand mit einem Arbeitsverbot belegten  Menschen Eugen Maier hat anlässlich seines 100. Geburtstages eine Würdigung durch die SPD in Nürtingen erfahren

Karl Gerber, der 1972 noch eine Ausstellung seiner Zeichnungen im Gartensaal der Stadthalle hatte, bei der er von HAP Grieshaber gewürdigt wurde, wird in dem Buch „Nürtingen 1918 bis 1950“ mit Auszügen aus seinem bis jetzt unveröffentlicht gebliebenen „KZ Lagerbuch“ zitiert, in dem er seinen Leidensweg und den seiner Mithäflinge dokumentiert, der 1931 in dem KZ Heuberg begann, weiter über Dachau nach Ravensbrück und schließlich 1945 auch noch nach Auschwitz und wieder zurück in die Heimat führte. 

Damit sind nur drei Menschen benannt, stellvertretend für die mindestens 14 weiteren Männer und die Frau Paula Planck, die Jahre ihres Lebens in den KZ, Zuchthäusern und Gefängnissen oder im Exil verbrachten. Sie sollen an dieser Stelle, so lebendig wie möglich, wieder ins Bewusstsein unserer Zeit geholt werden.

Ihre Namen sind (in zufälliger Reihenfolge):

Ludwig Knauß, Exil

Karl Feldmaier, Exil

Rudolf Schulmeister

Hans Sontheimer, Exil

Werner Gross, 

Eugen Maier 

Karl Gerber  

Hermann Berg,

Ernst Planck

Paula Planck

Die Raidwanger „Attentäter“:

Wilhelm Bühler

Paul Fausel

Wilhelm Hau,

Heinrich Gerber (Bruder von Karl Gerber)

Robert Renz,

Karl Frech

Otto Höfer

 

Barbara Dürr und Jakob Fuchs - und vielleicht noch weitere? - werden demnächst hier die Schicksale politisch verfolgter Nürtinger vorstellen.

Allein aus der Stadt Nürtingen wurden mindestens 14 politisch Verfolgte in KZs verbracht, mindestens vier kamen ins Zuchthaus und mindestens eine ins Gefängnis bzw. Frauen-KZ.

 

Für den Verantwortungsbereich der Kreisleitung Nürtingen und des Landratsamtes Nürtingen ist die Opferzahl umso größer.

Literatur-Tipps:

 

  • Eugen Wahl (1989). Nürtingen im Dritten Reich (1933-1939), in: SPD-Ortsverein Nürtingen (Hrsg.)/Arbeitskreis Geschichte der Nürtinger Arbeiterbewegung: Das andere Nürtingen. Ein heimatgeschichtlicher Beitrag zum 100. Geburtstag der Nürtinger SPD, Nürtingen 1989, S. 135f., in: SPD-Ortsverein Nürtingen (Hrsg.)/Arbeitskreis Geschichte der Nürtinger Arbeiterbewegung: Das andere Nürtingen. Ein heimatgeschichtlicher Beitrag zum 100. Geburtstag der Nürtinger SPD, Nürtingen 1989
  • Valentin Schoplick (1989): Der zweite Weltkrieg, in: SPD-Ortsverein Nürtingen (Hrsg.)/Arbeitskreis Geschichte der Nürtinger Arbeiterbewegung: Das andere Nürtingen. Ein heimatgeschichtlicher Beitrag zum 100. Geburtstag der Nürtinger SPD, Nürtingen 1989, S. 137-152, in: SPD-Ortsverein Nürtingen (Hrsg.)/Arbeitskreis Geschichte der Nürtinger Arbeiterbewegung: Das andere Nürtingen. Ein heimatgeschichtlicher Beitrag zum 100. Geburtstag der Nürtinger SPD, Nürtingen 1989
  • Joachim Schlör: "In einer Nazi-Welt läßt sich nicht leben" - Werner Gross - Lebensgeschichte eines Antifaschisten. Tübingen (Tübinger Vereinig. f. Volkskde) 1991
  • Petra Garski-Hoffmann (2011): "Politische Verfolgung, Widerstand, Verweigerung", in: Reinhard Tietzen (Hrsg.): Nürtingen 1918-1950. Nürtingen/Frickenhausen: Sindlinger-Burchartz 2011, S. 171-198.

 

 

(1) Wie’s früher in Nürtingen war: Ältere NürtingerInnen erzählen lebendige Stadtgeschichte(n), aufgeschrieben von H. Wezel und H. Binder, Verlag Sindlinger-Burchartz, Nürtingen 1991, S, 51

Text: Barbara Dürr, Nürtingen, und Manuel Werner, Stand: 21. Januar 2014

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