Denk Ort

Die ersten zehn im Denk Ort nacheinander vorgestellten Personen

Die verlinkten Namen führen zu mehr Informationen.

Anna Frank, geb. Herzer

1871-1942

zog 1902 nach Nürtingen und führte bis 1910 mit ihrem Ehemann und dann bis 1928 allein Bekleidungsgeschäfte, zuletzt in der Strohstraße 1. Sie wurde als Jüdin ab 1933 in Nürtingen ausgegrenzt, in die Verarmung getrieben und 1941 ins Ghetto Haigerloch verschleppt. Sie starb 1942 in Frankfurt am Main, weil ihr zu lange eine medizinische Versorgung verwehrt wurde.

Anton Köhler

1932 – 1944

wurde in Nürtingen geboren. Verfolgende Behörden trennten den Sinti-Jungen von den Eltern und wiesen ihn mit seinen Geschwistern in die St. Josefspflege in Mulfingen ein. Nach einer pseudo-wissenschaftlichen Untersuchung verbrachten Kripo und SS die Sinti-Heimkinder 1944 nach Auschwitz-Birkenau. Dort wurde der Zwölfjährige wie vier seiner Geschwister ermordet.

Eberhard F.

1911 – 1940

kam 1914 mit Eltern und Schwester von Klosterreichenbach nach Nürtingen. Wegen einer psychischen Erkrankung wurde er 1933 in der Heilanstalt Mariaberg untergebracht. Im Oktober 1940 wurde er nach Grafeneck zwangsverlegt und dort umgebracht. Er war, soweit bis jetzt bekannt, mit 29 Jahren das jüngste Nürtinger Opfer der Euthanasie-Morde.

Anatoli Grizjuk

1923 – 1945 (?)

stammte aus der Ukraine. 1941 wurde er wie 18 Millionen Menschen als Zwangsarbeiter nach Deutschland verschleppt und im Nürtinger Mühlwiesenlager untergebracht. 1944 veranlasste der Lagerleiter, Alfons Hirsch, aus geringfügigem Anlass seine Gestapo-Haft. Die Gestapo schrieb an seinen Arbeitgeber: "Mit seinem weiteren Arbeitseinsatz ist nicht mehr zu rechnen".

Ernestine S.

1873 – 1940

stammte aus Markgröningen und heiratete nach Oberensingen. Das Ehepaar hatte vier Kinder, von denen zwei im ersten Lebensjahr starben. Nach dem Tod ihres Mannes bekam sie eine schwere psychische Erkrankung und wurde 1934 in der Heilanstalt Weißenau aufgenommen. Sie war eine ruhige Kranke, die unermüdlich Strümpfe strickte. Im Sommer 1940 wurde sie nach Grafeneck zwangsverlegt und in der Gaskammer ermordet.

Karl Gerber

1906 – 1983

wurde im März 1933 als Unterstützer der Nürtinger Kommunisten im KZ Heuberg eingesperrt. Ab 1939 bis 1945 durchlitt er zunächst das Gestapo-Lager Welzheim, überlebte die Konzentrationslager Dachau und Ravensbrück und die letzten Tage von Auschwitz-Birkenau. Was er erlebt hatte, schrieb er nieder in seinem „KZ-Lagerbuch“. In Zeichnungen und Gedichten fand er Ausdruck für sein widerständiges Leben.

Josef Herrmann

1866 – 1942

Der Viehhändler jüdischen Glaubens, in Flehingen geboren, war bis 1933 Mitglied u.a. im Nürtinger Liederkranz. Nach dem Tod seiner Frau und der Übergabe eines Enkelkindes an dessen Tante zog er 1936 nach Ravensburg. Später wurde er in ein so genanntes Jüdisches Altersheim nach Herrlingen, dann nach Oberstotzingen eingewiesen. Er kam 1942 im KZ Theresienstadt ums Leben.

Paula Planck geb. Mohr

1879 – 1953

war Mitglied der Friedensgesellschaft, der SPD und erste Frau im Nürtinger Gemeinderat. Sie stritt für menschenwürdige Behandlung Notleidender und für Frauenbildung. Wegen ihrer unerschrockenen Äußerungen war sie von April bis Juni 1933 im Frauenkonzentrationslager Gotteszell. Nach Kriegsende setzte sie sich erneut im Gemeinderat für ihre Überzeugungen ein.

Heinrich N.

1879 – 1940

war der Sohn eines Oberensinger Pfarrers. Im Alter von 17 Jahren traten Symptome einer psychischen Erkrankung auf. Nach Klinikaufenthalten in Tübingen kam er in die Heilanstalt Pfullingen. Später war er für Jahrzehnte ein unauffälliger Patient in der Heilanstalt Weißenau. 1940 wurde er mit einem Transport der „grauen Busse“ nach Grafeneck deportiert und dort am selben Tag in der Gaskammer ermordet.

Eugen Maier
1910 - 1976
war Holzschnitzer und Steinbildhauer. Er lebte in Wolfschlugen und Nürtingen. 1930 begann er ein Kunststudium bei Alfred Lörcher. Als Mitglied der kommunistischen  Partei kam er 1933 in KZ-Haft und 1935 bis 1938. 1942 schickte man ihn im Strafbataillon an die Front. In Griechenland floh er zu den Partisanen. Nach dem Krieg engagierte er sich in Nürtingen als Gemeinderat und Künstler.

Auswahl und Formulierungen gemäß dem Beschluss der Gedenkinitiative vom 8. Juni 2015 - Die Fotos sind urheberrechtlich geschützt, teils auch nach anderen Bestimmungen geschützt und teils nur zu bestimmten Konditionen und Zwecken für die Verwendung für die Initiative genehmigt.

Gestalterische Umsetzung

Entwurf für die Darstellung der Benennung unseres Denk Ortes am Dreieckständer an der Kreuzkirche über dem Schaukasten von Helmuth Kuby, 25. Juni 2015
Entwurf für die Darstellung der Benennung unseres Denk Ortes am Dreieckständer an der Kreuzkirche über dem Schaukasten von Helmuth Kuby, 25. Juni 2015
DENK ORT, Nürtingen, kurz vor der Eröffnung, Die Kurzbiographien wechseln und umfassen alle Nürtinger Opfergruppen. Foto: Manuel Werner - Bild per Klick vergrößerbar
DENK ORT, Nürtingen, kurz vor der Eröffnung, Die Kurzbiographien wechseln und umfassen alle Nürtinger Opfergruppen. Foto: Manuel Werner - Bild per Klick vergrößerbar
DENK ORT, Nürtingen, bei Nacht, Erinnerung an Anton Köhler, Sinto, Foto: Manuel Werner
DENK ORT, Nürtingen, bei Nacht, Erinnerung an Anton Köhler, Sinto, Foto: Manuel Werner - Bild per Klick vergrößerbar

Hintergrund

Lange Jahre gereift, dann einstimmig vom Gemeinderat beschlossen

Der Kultur-, Schul- und Sozialausschuss des Nürtinger Gemeinderates beschloss am 10. März 2015 einstimmig, das Konzept der Nürtinger "Gedenkinitiative für die Opfer und Leidtragenden des Nationalsozialismus" für ein Mahnmal umzusetzen. Seit einigen Jahren hatte unsere Gedenkinitiative ein solches Mahnmal in Nürtingen zuvor geplant. Wichtig war uns, dass es an einem belebten, zentralen Platz in Nürtingen platziert ist, alle lokalen Opfergruppen miteinbezieht und nicht nur im Vergangenen verbleibt.

 

Nach mehreren internen unterschiedlichen Planungen, Konzepten und Reflexionen schlugen wir als Gedenkinitiative der Stadt vor, einen Teil des Dreieckständers an der Kreuzkirche als "Denk Ort" zu verwenden. Im Wechsel sollen dort an verschiedene Opfer und Leidtragende erinnert werden, die als geistig Behinderte, Zwangsarbeiter, Sinti, Juden, Kommunisten, usw. ermordet oder verfolgt wurden. "Sich an die Opfer und Leidtragenden zu erinnern / kann das eigene Denken und Handeln verändern" steht in der ständigen Umschrift der präsentierten Plakate. Dies weist auch auf die Verantwortung in der heutigen Zeit hin. Über die Anordnung der Satzteile der Umschrift soll man bewusst "stolpern", stutzig werden. Bewusst sind die einzelnen Texte innerhalb der Umschrift, die über ein beispielhaftes Schicksal informieren, kurz gehalten, sie verbleiben unter 400 Zeichen inklusive Leerzeichen.

 

Der QR-Code auf den Plakaten des Denk Ortes verweist über die Internet-Adresse gedenken-nt.de auf diese Unterseite unserer Webseite, über die längere Beiträge zu den einzelnen Schicksalen auf unserer Webseite verfügbar sind. Dort können sich Interessierte genauer über die einzelnen Schicksale und die unterschiedlichen verfolgten Gruppen informieren.

 

(Text: Manuel Werner, 2.7.2015)

Am 9. November 2015 wurde der DENK ORT eröffnet, hier eine Fotostrecke.

DENK ORT vor der Kreuzkirche, Nürtingen, kurz vor der Eröffnung, Foto: Manuel Werner
DENK ORT vor der Kreuzkirche, Nürtingen, kurz vor der Eröffnung, Foto: Manuel Werner