Haftstrafen für drei Oberensinger wegen vergrabener Waffen

Als Hitler nach seiner Wahl am 5. März 1933 in einer Rundfunkrede „die Vernichtung des Marxismus“ ankündigte und die KPD mit zahlreichen Verboten in die Illegalität drängte, traf diese Situation die „führenden Köpfe der Nürtinger KPD nicht ganz unvorbereitet“. Sie hatten, wie „Ludwig Knauss die Stimmung zur Zeit der Machtergreifung“ schilderte, nicht vor, sich den neuen Machthabern auszuliefern. „Die KPD hatte sich als einzige große Organisation auf den Kampf aus der Illegalität vorbereitet und Verstecke für Waffen, Vervielfältigungsgeräte und Papier zum Druck von Flugblättern organisiert (1/170).“

Auch drei Oberensinger, die Brüder Hermann und Kurt F. und Gottlob M., waren in diese Form des Widerstands involviert. Da aber nur noch die Wiedergutmachungsakte von Hermann F. auffindbar ist, kann der Ablauf des Geschehens heute nicht mehr lückenlos nachvollzogen werden (2):

Alle drei Kommunisten waren in Oberensingen geboren und aufgewachsen (3). Gottlob Adolf M. (1909-1971) war ein lediger Stricker, der später als Lehrlingsausbilder bei der Firma Heller tätig war. Er soll auch „in jungen Jahren“ an der Kunstakademie Stuttgart studiert haben, wurde dort aber wegen „kommunistischer Umtriebe“ ausgewiesen. „Das machte ihm zeitlebens zu schaffen“ (4 S. 469).

Kurt Otto F. (1910-1999), der jüngere der beiden Brüder, war ledig und Bäcker von Beruf. Dieses Handwerk hatte er bei Verwandten in Mannheim erlernt. Nach Beendigung der Lehrzeit kam er nach Oberensingen zurück und war zunächst arbeitslos, trat dann als Lagerverwalter in die Maschinenfabrik Heller in Nürtingen ein und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung. 1938 heiratete Kurt F. die Elsa S. und bekam mit ihr vier Kinder. Die Familie wohnte später in der Nürtinger Teckstraße (4 S. 218) - Der ältere Bruder Hermann Gustav F. (1906-1984 (5)) war Steinhauer von Beruf. Im Jahr 1938 heiratete er die Näherin Anna Berta K.. Das Ehepaar bekam zwei Söhne (4 S. 218), in ihrer Familie soll zudem ein Pflegekind gelebt haben (6).

Gottlob M. besaß weder einen Waffenerwerbs-, noch einen Waffenbesitzschein

Vermutlich begannen Kurt F. und Gottlob M. Anfang des Jahres 1933, sich bei der Nürtinger KPD mit Waffen einzudecken. Gottlob M. kaufte drei Gewehre, von denen eines zum Preis von 17 Mark von der KPD bezahlt wurde. Einen Karabiner gab er an einen anderen weiter. Zwei Gewehre gehörten also ihm, er hatte sie bezahlt. Er muss wohl ein großer Waffenliebhaber gewesen sein, denn neben den schon genannten politischen Gründen interessierten ihn Bauarten und Funktionsweisen der verschiedenen Gewehre, einen Waffenerwerbs- und einen Waffenbesitzschein besaß er aber nicht. Zudem hielt er die neu erstandenen ausländischen Gewehre nicht für Heeresgut, das ablieferungspflichtig war (3).

Beim Kauf der Waffen war Kurt F. anwesend, auch er bezahlte seine erworbenen Waffen mit eigenem Geld. Da Schießen für ihn auch ein Hobby war, kam für ihn eigentlich nur ein ausländisches Gewehr zur Abänderung infrage. Der Verkäufer allerdings wollte alle oder keines der Gewehre veräußern (3). Wie viele Gewehre die beiden letztendlich kauften, ist nicht bekannt. Kurt F. versteckte anfänglich seine Waffen im Heu, später grub er für sie ein Loch „im Schopf“ seines elterlichen Anwesens (6). Bei dieser Aktion wurde er von seinem älteren Bruder Hermann, auch einem KPD-Mitglied, überrascht, der bis dahin - so ist es überliefert - nichts vom Waffenbesitz seines Bruders ahnte. Sein Kommentar: „Um in keine Ungelegenheiten wegen der Gewehre bei einer eventuellen Hausdurchsuchung zu kommen, habe ich im April 1933 unsere mehrere Zentnerschwere Mostpresse auf das Versteck gestellt. Im Juli 1933 habe ich dann die Gewehre ausgegraben und im Staatswald zwischen Oberensingen und Wolfschlugen an zwei verschiedenen Stellen vergraben. Um die Stellen später wieder zu finden, habe ich in einen dabeistehenden Baum eine Kerbe eingeschnitten.“ (3)

Es müssen einige Waffen gewesen sein, die im Herbst 1933 im Wald gefunden wurden. Dazu die Aussage von Landjäger Erwin B.: „Es mag schon sein, dass M. und Kurt F. Gewehrliebhaber sind, aber dann braucht man doch nicht so viel Gewehre. Ich glaube, dass die Beschaffung der Gewehre aus politischen Gründen erfolgt ist. ... Die 2 auf dem Grundstück M. vergrabenen Gewehre befanden sich in einem Gummischlauch und waren noch tadellos erhalten. Die von F. im Wald vergrabenen Gewehre waren auch noch in gutem Zustand; immerhin hatten sie unter dem Vergrabensein etwas gelitten.“ (3) Die beschlagnahmten Waffen samt Munition wurden daraufhin als „dem Reich für verfallen erklärt“. (7)

Im Landesgefängnis Ulm

Hermann F., und vermutlich auch die beiden anderen, kam am 23. Oktober 1933 in Haft.  (5) Am 8. Dezember 1933 wurde folgendes Urteil verkündet: Kurt F. und Gottlob M. erhielten eine Gefängnisstrafe von sechs Monaten wegen gemeinschaftlichen Vergehens gegen das Schusswaffengesetz. Hermann F. bekam wegen Nichtablieferung und Nichtanmeldung von Schusswaffen (3) eine Haftstrafe von vier Monaten. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft im Nürtinger Gefängnis saß er bis 23. Januar 1934 im Landesgefängnis Ulm ein und kam „infolge bedingter Begnadigung“ ein paar Tage früher frei (5). Wann genau die beiden anderen entlassen wurden und wo sie inhaftiert waren, ist nicht bekannt.

Bis Anfang April 1934 war Hermann F. arbeitslos, bis Juli 1934 war er im Bildhauergeschäft von Karl H. in Nürtingen tätig. Dieser vermittelte ihn an einen Bildhauermeister nach Tübingen weiter (5). Im Jahr 1950 erhielt Hermann F. vom Amt für Wiedergutmachung für jeden vollen Monat der erlittenen Haft eine Geldentschädigung (8). Das Amtsgericht Nürtingen erkannte die Verurteilungen von 1933 als politische Taten an, „weil die Täter es unternahmen, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zunächst zu verhindern und dann zu schwächen.“ Die Urteile von 1933 wurden zur selben Zeit aufgehoben und aus dem Strafregister getilgt. (2)

Quellen:

1. Nürtingen 1918 – 1950, Hrsg. R. Tietzen, Verlag Sindlinger- Burchartz, Nürtingen/ Frickenhausen, 2011, ISBN 978-3-928812-58-0
2. StAL EL 350 I Bü 7385, Blatt 1/6
3. ebenda, Blatt 1/1
4. Ortsfamilienbuch Oberensingen, Hrg. Werner Föhl, Oberensingen, 2009
5. ebenda, Blatt 2
6. ebenda, Blatt 1
7. ebenda, Blatt 1/5
8. ebenda, Blatt 7

Alle hier anonymisierten Namen sind der Autorin bekannt.

Anne Schaude, 2018